Eine kurze Überschrift, und sofort sind wir drin in der Leidenschaft zweier Liebender. Und das in dem Buch, das im Gottesdienst am häufigsten zitiert wird?
Das hatten wir nicht gewusst: dass das Hohelied eines der meist zitierten Bücher des jüdischen Gottesdienstes ist. Fester Bestandteil der Sabbatliturgie. Jedes Mal ganz vorgelesen! Alle acht Kapitel! Und mit einer Melodik gesprochen, die anders ist als die für die anderen Bücher. Rabbi Akiva sagt: Innerhalb der Bibel ist das Hohelied „das Heiligtum im Heiligtum“.
All das erklärte uns Assaf Levitin, Kantor und Leiter des Shalom-Chores. Wieder hatten wir ihn im Vorfeld unseres Israel-Gottesdienstes in unserem Bibelgespräch zu Gast. Und rund dreißig Interessierte staunten, welche Bedeutung dieses kleine, in der christlichen Tradition so oft vernachlässigte oder beargwöhnte Büchlein im Judentum hat.
Assaf Levitin machte uns deutlich: Hier kommen alle Dimension der Liebe zur Sprache, die zwischen Mann und Frau, und das ganz ins Körperliche hinein, und auf der symbolischen Ebene die zwischen Gott und seinem Volk. Und auch, dass Lieben oft Leiden bedeutet.
Das jüdische Bekenntnis fordert ja dazu auf, Gott zu lieben. Aber wie geht das? Vielleicht indem man jeden Schabbat das ganze Hohelied vorgelesen bekommt und so davon geprägt wird?
Und Levitin fragt uns kritisch: „Wie kann die Kirche da sagen, es sei die christliche Religion die Religion der Liebe und die jüdische sei es nicht?“
Immer wieder hörten wir auch hinein in Vertonungen des Hohelieds. Sogar bis in die moderne klassische und Pop-Musik hinein inspiriert dieses Lied der Lieder Texter und Komponisten, vor allem innerhalb, aber auch außerhalb des Judentums.
Diese poetische Hymne auf die Liebe – wie dankbar kann die Kirche sein, dass sie an diesem Schatz Anteil haben darf!
-mw